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Elend und erschöpft: der Gesundheitszustand der Bourbaki-Armee

Unablässiges Husten und Keuchen inmitten klirrender Waffen in eisiger Kälte – die Geräuschkulisse des Rundbildes Bourbaki Panorama führt mitunter die gesundheitliche Verfassung der 1871 zum Ende des Deutsch-Französischen Krieges in die Schweiz internierten Soldaten zu Ohr: Neben Lungenentzündungen, Bronchitis und schweren Infektionskrankheiten wie Typhus, Pocken und Cholera leiden viele an Erschöpfung und Erfrierungen.

Geschwächt und geschunden
Um die Situation zu entschärfen, verteilt die Stadt Zürich Fussalbe und Hustentee. Angesichtes der drastischen Umstände dürfte die Wirkung der gutgemeinten Gaben allerdings zaghaft gewesen sein: «als man die halbverfaulten Verbände abnahm, fielen die brandigen und erfrorenen Zehen ab wie reife Zwetschgen»,berichtet ein Augenzeuge.[1]Geschwächt von den durchlittenen Strapazen erkranken die meisten Soldaten erst während der Internierung. Die von Zivilflüchtlingen bereits angerührte Pockenepidemie breitet sich unter den Internierten und der Zivilbevölkerung aus. Im Gegensatz zur preussischen gibt es in der französischen Armee keine Impfpflicht, was die Verbreitung begünstigt.

Geheilt und geschieden
Bei Ankunft muss jeder Internierte durch einen Schweizer Arzt untersucht werden. Bei jedem 5. Soldaten handelt es sich um einen medizinischen Pflegefall. Staatlich vermerkt sind rund 18 000 Pflegefälle, ungenannt die Anzahl der privat aufgenommenen und betreuten Soldaten. Die medizinische Versorgung in den Internierungsgemeinden erfolgt gemäss bundesrätlicher Weisung durch internierte Ärzte und schweizerisches Sanitätspersonal. Auf die Hilfe von Zivilpersonen lässt sich allerdings nicht verzichten. Insgesamt versterben in der Schweiz 1701 Soldaten. Die meisten Opfer fordert der Typhus mit 905 Toten, sowie die Lungenentzündung mit 178 und die Pocken mit 156 Toten. 42 Soldaten sterben an den Folgen einer Kriegsverletzung – die meisten Verwundeten bewältigten den Weg in die Schweiz nicht.


[1]Boesch, Jean, Erinnerungen an die «Bourbaki-Zeit» – 1871, in: Hofer, Werner, (Hg.), Zeitspuren. Ein kulturgeschichtliches Bilder- und Lesebuch im Spiegel

 

Erschöpfter und verletzter Soldaten nach dem Grenzübertritt in die Schweiz. (Castres, E.: Bourbaki Panorama, 1871, Öl auf Leinwand, 112 x 10 m (Detail))
Erschöpfter und verletzter Soldaten nach dem Grenzübertritt in die Schweiz. (Castres, E.: Bourbaki Panorama, 1871, Öl auf Leinwand, 112 x 10 m (Detail))
Bachelin, A.: Dames lavant les pieds des blessés, in: Aux frontières. Neutralité, Humanité 1870 -1871-Notes et croquis.
Bachelin, A.: Dames lavant les pieds des blessés, in: Aux frontières. Neutralité, Humanité 1870 -1871-Notes et croquis.
Bauernheinz, A.: Lazarett in der Chapelle des Terreaux in Lausanne, 1871, Fotografie 1871, Musée historique de Lausanne.
Bauernheinz, A.: Lazarett in der Chapelle des Terreaux in Lausanne, 1871, Fotografie 1871, Musée historique de Lausanne.
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